Vor jeder Organtransplantation werden die HLA-Merkmale von Spender und Patient verglichen und je besser diese übereinstimmen, desto erfolgversprechender ist die Transplantation. Bei der Transplantation von blutbildenden Stammzellen ist sogar eine volle Übereinstimmung mit Ausnahme des HLA Klasse II DP Locus (sog. 10/10 match) erforderlich. Aber auch, wenn die Merkmale der Zellen von Spender und Empfänger sehr gut übereinstimmen, wird dies niemals ausreichen, um für das Immunsystem unsichtbar zu sein. Dies bedeutet, dass das Immunsystem des Empfängers nach einer Transplantation trotzdem durch Medikamente gebremst werden muss. Diesen Vorgang nennt man Immunsuppression. Bestimmte Medikamente, wie z.B. Cyclosporin A, oder Tacrolimus können die Aktivierung der T-Zellen verhindern und somit die unerwünschte Abstoßungsreaktion des Immunsystems unterdrücken. Die jeweilige Medikation wird individuell auf jeden Patienten zugeschnitten.
Diese notwendige Immunsuppression hat leider auch Nebenwirkungen, denn sie unterdrückt nicht nur die unerwünschte Abstoßung des Organs, sondern beeinträchtigt auch die Immunität gegen verschiedene Viren, Pilze und Parasiten. Dadurch sind Menschen nach Organtransplantation einem erhöhten Risiko von Infektionen und längerfristig auch häufiger Krebserkrankungen ausgesetzt. Auch gibt es heutzutage noch keine Therapie, die eine Antwort auf fremde HLA- Merkmale vollständig verhindern kann.
Das Ziel der immunologischen Forschung muss es daher sein, bessere Medikamente zu finden, die gezielt nur die spezifische Immunantwort gegen das fremde Organ unterdrücken, die Aktivität gegen alles andere dagegen nicht beeinträchtigen.
Somit kann es trotz sehr guter Vorbereitung und Übereinstimmung aller Merkmale zu Abstoßungsreaktionen kommen. Diese entspricht vereinfacht gesagt einer Entzündungsreaktion am transplantierten Organ und kann zu schwerer Beeinträchtigung der Organfunktion bzw. zur vollständigen Zerstörung des Organs durch das Immunsystem des Patienten führen.
Es wird zwischen drei verschiedenen Abstoßungsreaktionen unterschieden.
Bereits innerhalb Minuten oder Stunden nach der Transplantation kann eine hyperakute Abstoßung, welche durch Antikörper vermittelt ist, erfolgen. Verantwortlich dafür sind Antikörper gegen HLA-Merkmale des Transplantates, die bereits vor der Transplantation im Körper des Empfängers vorhanden sind (z.B. durch eine bereits erfolgte Transplantation, eine Schwangerschaft oder eine Bluttransfusion). Diese Antikörper rufen einerseits T-Helferzellen zu Hilfe, die wiederum verschiedene Botenstoffe ausschütten. Diese Mischung aus Antikörpern, Immunzellen und Botenstoffen verstopft die Blutgefäße des Transplantates, was zur Folge hat, dass das übertragene Gewebe innerhalb von Stunden abstirbt. Diese hyperakute Abstoßung kann durch genaue medizinische Untersuchungen von Spender und Empfänger vor der Transplantation verhindert werden, weshalb sie zum Glück nur noch selten vorkommt.
Kommt es erst Tage oder Wochen nach der Transplantation zu einer Abstoßungsreaktion (akute Abstoßungsreaktion), dann sind in der Regel zytotoxische T-Zellen, die in diesem Zeitraum entstanden sind und das Spenderorgan als fremd erkennen, dafür verantwortlich.
Daran sind zwei Mechanismen, ein direkter und ein indirekter Erkennungsmechanismus beteiligt. Bei dem direkten Mechanismus erkennen T-Killerzellen direkt die HLA-Merkmale des Spendergewebes als fremd und werden dadurch aktiviert. Bei dem indirekten Mechanismus präsentieren dendritische Zellen Proteinbruchstücke des fremden Gewebes durch die eigenen HLA-Moleküle an die T-Helferzellen, die daraufhin aktiviert werden und selbst mit ihren Botenstoffen „Alarmsignale“ an andere Immunzellen vermitteln. Diese Kettenreaktion ruft verschiedene Immunzellen auf den Plan, die gemeinsam auf den unbekannten Eindringling, nämlich das transplantierte Organ, reagieren und es angreifen. Vor allem zytotoxische T-Zellen werden aktiviert, wandern in das fremde Gewebe und versuchen es zu zerstören.
Bei der dritten Art, der chronischen Abstoßung kommt es erst Monate oder Jahre nach erfolgreicher Transplantation zu einer Immunreaktion gegen das Organ, wodurch dessen Funktion beeinträchtigt wird. Auch hierfür ist eine sich langsam aufbauende Kettenreaktion verantwortlich, die von T-Helfer- und T-Killerzellen mit Beteiligung von Antikörpern ausgelöst wird und zu einer immer fortwährenden Entzündungen der Gefäßwände und somit zur langsamen Verengung der Gefäße bis hin zu einem Verlust der Organfunktion auf Grund der unzureichenden Blutversorgung führt. Dieser Prozess verläuft schleichend und anfangs unbemerkt, weil das Immunsystem keine spürbaren Zeichen einer akuten Entzündung, wie Fieber oder Schmerzen, auslöst. Daher sollten Patienten nach Organtransplantation muss in regelmäßigen Abständen ein bis zweimal im Jahr auf die schleichende Entwicklung einer chronischen Abstoßungsreaktion untersucht werden.
Trotz vieler Risiken ist eine Organ- oder Stammzelltransplantation häufig die einzige Therapie, die das Leben schwerkranker Menschen noch retten kann und deren Lebensqualität deutlich verbessert.
Autoren: DI Maria Schwarzmüller, Dr. Armin Gerbitz, Dr. Christine Falk