Seit einigen Jahren weiß man, dass sich hinter «Multiple Sklerose» eine ganze Reihe unterschiedlicher Erkrankungen verbergen, die angepasste Therapien erfordern. Typisch für Multiple Sklerose (MS) sind die Entzündungsherde im zentralen Nervensystem: Das Immunsystem richtet sich gegen körpereigene Strukturen und zerstört die Hülle der Nervenfortsätze, die sogenannte Myelinschicht. Das Bild, das die Forschung inzwischen von der Krankheit hat, ist aber noch um einiges komplexer. Sie kann verschiedene neurologische Symptome wie Missempfindungen und Lähmungen verursachen, die kontinuierlich oder schubweise schlimmer werden. Welche Teile des Nervensystems betroffen sind, kann zwischen Betroffenen stark variieren. Bei manchen Patienten und Patientinnen wirkt eine bestimmte Therapie, bei anderen verschlechtert sie den Zustand sogar.
Ein Team unter Leitung von Prof. Anne-Katrin Pröbstel, Leitender Ärztin in der Neurologie am Universitätsspital Basel, beschreibt nun eine weitere MS-ähnliche Erkrankung und erklären, wie sie sich diagnostizieren lässt. Bei einer Gruppe von Patienten und Patientinnen stellten sie einen bestimmten Antikörper des Typs Immunglobulin A (IgA) fest, der sich gegen einen Baustein der Myelinschicht mit der Bezeichnung «MOG» (für Myelin Oligodendrozyten Glykoprotein) richtet. Bei den betroffenen Patienten und Patientinnen fokussiert sich die Entzündungsherde vor allem auf das Rückenmark und den Hirnstamm.
Die genaue Rolle der MOG-IgA im Zuge der Autoimmunerkrankung muss weiter erforscht werden. In einem nächsten Schritt möchten die Forschenden die Rolle des MOG-IgA und die daraus resultierenden klinischen Merkmale genauer entschlüsseln. «Indem wir die myelinzerstörenden Autoimmunerkrankungen, die früher alle unter MS liefen, genauer ausdifferenzieren, machen wir einen wichtigen Schritt hin zum besseren Verständnis der Krankheitsursachen und somit hin zu individualisierten Therapien», sagt die Neurologin. Somit hoffen die Forschenden herauszufinden, welche Therapie unter welchen Voraussetzungen am besten hilft.
Ayroza Galvão Ribeiro Gomes AB, Kulsvehagen L, Lipps P, et al. Immunoglobulin A Antibodies Against Myelin Oligodendrocyte Glycoprotein in a Subgroup of Patients With Central Nervous System Demyelination. JAMA Neurol. 2023;80(9):989-995. doi:10.1001/jamaneurol.2023.2523