Der Georges-Köhler-Preis geht 2023 an zwei herausragende Nachwuchswissenschaftler/-innen. Petra Bacher erhält den Preis für ihre hervorragende Arbeit zur Erforschung der Rolle des Immunsystems bei chronischen Entzündungserkrankungen mit besonderem Fokus auf CD4+ T-Zellen. Sebastian Kobold wird mit dem Preis für seine Arbeit im Bereich der Tumorimmunologie mit einem besonderen Fokus für die Entwicklung und Umsetzung zellulärer und Antikörper-vermittelter Therapien ausgezeichnet.
Prof. Dr. Petra Bacher
Petra Bacher untersucht die Rolle antigenspezifischer CD4+ T-Zellen bei Fehlfunktionen des Immunsystems, bei denen man vermutet, dass es zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion gegen die Mikrobiota kommt, wie z.B. chronisch entzündlichen Erkrankungen. Sie konnte zeigen, dass die Detektion antigenspezifischer T-Zellen eine Verbesserung der klinischen Diagnose ermöglicht und eine Basis für T-Zell-basierte therapeutische Anwendungen schafft. CD4+ T-Zellen, die auch als T-Helfer-Zellen bezeichnet werden, spielen eine zentrale Rolle bei der Verteidigung gegen körperfremde Antigene. Ein Schwerpunkt der Forschung von Petra Bacher liegt dabei auf der Interaktion unseres Immunsystems mit dem Mikrobiom, also den in und auf unserem Körper lebenden Mikroorganismen. T-Helfer-Zellen können ganz spezifisch ein bestimmtes Antigen erkennen und eine zum Antigen passende Immunantwort auslösen. So kann z.B. eine T-Zelle den Hefepilz Candida albicans erkennen, während eine andere T-Zelle auf den Darmkeim E. coli spezialisiert ist. Wenn man versteht, wie die gesunde Interaktion des Immunsystems mit den verschiedenen Mikroben aussieht und reguliert wird, kann man anschließend erforschen, was bei Menschen mit chronisch entzündlichen Erkrankungen anders ist. Unangemessene oder zu starke Immunreaktionen gegen die Mikrobiota können nämlich zu chronischen Entzündungserkrankungen, wie z.B. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa beitragen. Wie die schützende Immunität gegen die Mikrobiota aufrechterhalten oder gestört wird und welche mikrobielle Spezies pathogene T-Zellreaktionen antreiben, ist jedoch in vielen klinischen Situationen nicht bekannt. Dies stellt ein erhebliches Hindernis für die Entwicklung spezifischer und personalisierter Diagnose- und Behandlungsstrategien dar. Petra Bacher und ihr Team haben unter anderem eine neue, innovative Methode zur direkten Analyse von krankheitsrelevanten T-Zell-Reaktionen beim Menschen entwickelt. Diese Methode ermöglicht die Charakterisierung antigenspezifischer CD4+ T-Zellen direkt aus menschlichen Blut- oder Gewebeproben und erlaubt es, eine Vielzahl klinischer Fragen zu beantworten, inklusive der Identifizierung neuer patientenspezifischer diagnostischer Parameter und neuer therapeutischer Ziele.
Mit ihrer bisherigen Forschungsarbeit konnte Petra Bacher somit einen wichtigen Beitrag zum aktuellen Wissensstand über die Immunreaktionen menschlicher T-Zellen auf Krankheitserreger oder mikrobielle und umweltbedingte Antigene leisten, die bei Infektionen, chronischen Entzündungen, Autoimmunität und Allergien eine wichtige Rolle spielen.
Petra Bacher ist seit Juli 2018 Professorin für Immunologie und Immunogenetik an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Sie leitet die Schleswig-Holstein Excellence-Chair Nachwuchsgruppe „Intestinale Immunregulation“, die am Institut für Immunologie und am Institut für klinische Molekularbiologie der CAU und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein angesiedelt ist. Vor dem Wechsel an die Universität Kiel war Frau Bacher Postdoktorandin an der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Prof. Dr. med. Sebastian Kobold
Die Immuntherapie steht bei der derzeitigen und künftigen Entwicklung von Krebstherapien an vorderster Front. Zahlreiche Arzneimittelzulassungen belegen dies: So verlängern z.B. Checkpoint-Inhibitoren, die unter anderem bei Melanom und Lungenkrebs eingesetzte werden, die Gesamtüberlebenszeit auf beispiellose Weise. Aber auch chimäre Antigenrezeptoren (CAR), die in T-Zellen eingeführt werden, wurden 2018 von der Europäischen Arzneimittelagentur für die Behandlung von fortgeschrittenen Krebserkrankungen des Blutes zugelassen. Zusammengenommen zeigen diese Entwicklungen, wie leistungsfähig das Immunsystem und insbesondere die T-Zellen als Krebstherapie sein können. Insgesamt werden jedoch die meisten behandelten Patienten langfristig nicht davon profitieren, so dass weitere Entwicklungen auf diesem Gebiet erforderlich sind. Sebastian Kobold hat zwei Hauptforschungsschwerpunkte, die sich gegenseitig ergänzen: das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Krebszellen und ihrer Umgebung als Triebkraft für das Fortschreiten des Tumors einerseits und die Entwicklung innovativer (immun-)zellbasierter Therapeutika andererseits. Sein Augenmerk liegt dabei auf einem besonderen Vermittler der Kommunikation zwischen Immun- und Tumorzellen – Interleukin-22 (IL-22). IL-22 gehört zur Gruppe der Zytokine. Als Signalmolekül des Immunsystems haben Zytokine vielfältige Funktionen bei der Regulierung der Immunantwort und der Kommunikation zwischen Zellen. Sebastian Kobold und sein Team haben festgestellt, dass IL-22 tumorfördernde Eigenschaften hat und konnten einen neuen T-Zell vermittelten Mechanismus entschlüsseln, der die Metastasenbildung fördert. Krebszellen können nämlich CD4+ T-Zellen anregen, IL-22 zu produzieren, und dieses IL-22 schützt die Krebszellen dann vor den Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) unseres Immunsystems, die für die Erkennung und Zerstörung abnormer Zellen mitverantwortlich sind. Durch die Aufhebung der Funktion von NK-Zellen wird die Entwicklung von Metastasen ermöglicht und der Tumor wird zur tödlichen Bedrohung. Die Erkenntnisse von Sebastian Kobold zeigen das Potenzial von gegen IL-22-gerichteten Strategien zur Bekämpfung der Metastasenentwicklung und Tumorprogression. Zusätzlich hat sich Sebastian Kobold der Entwicklung von Ansätzen gewidmet, die darauf abzielen, die therapeutische Funktion von T-Zellen zu verbessern. So leistete er zusammen mit seinem Team Pionierarbeit bei verschiedenen Ansätzen wie z.B. immunstimulierenden Fusionsrezeptoren, die inzwischen in klinischen Studien erprobt werden, und Chemokinrezeptoren zur gezielten Rekrutierung von Immunzellen. Zudem entwickelte er mehrere modulatorische Antigen-Targeting-Plattformen. So hat er gesundes und krankes Gewebe verglichen, um spezifische Tumormarker auswählen zu können. Dabei konzentrierte er sich zunächst auf die akute myeloische Leukämie (AML), eine Krankheit, die dafür bekannt ist, dass es nur wenige spezifische Antigene gibt, die Krebs von gesunden Zellen unterscheiden. Anhand großer Datensätze aus dem menschlichen Körper konnten nur zwei Antigene entdeckt werden, die den strengen Kriterien für AML-Tumormarker entsprechen. Sebastian Kobold hat anschließend neuartige chimäre Antigenrezeptoren (CARs) entwickelt, die auf diese Tumormarker abzielen. Die hergestellten CAR-T-Zellen übertrafen etablierte CAR-T-Zellen nicht nur hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, sondern auch hinsichtlich ihres Unterscheidungspotenzials gegenüber gesundem Gewebe. Der Ansatz wird nun im neu gegründeten Bayerischen Zelltherapie-Katalysator (BAYCELLator) für die Therapie weiterentwickelt.
Sebastian Kobold studierte Medizin und promovierte in Homburg und Zürich. Anschließend absolvierte er seine klinische und wissenschaftliche Ausbildung in Hamburg, Boston und München. Seit 2011 leitet er die experimentelle Arbeitsgruppe Immunpharmakologie am Klinikum der Universität München. 2014 folgten die Facharztanerkennung in Klinischer Pharmakologie, die Anerkennung zum Fachimmunologen und die Habilitation in experimenteller Innerer Medizin. Seit 2019 ist er W2-Professor für Experimentelle Immunonkologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Stv. Direktor der Abteilung für Klinische Pharmakologie am Klinikum der Universität München.
Über den Georges-Köhler-Preis
Jährlich vergibt die Deutsche Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI) Promotions- und Early-Career-Preise an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die einen herausragenden Beitrag auf dem Gebiet der Immunologie geleistet haben. Die Preisverleihung fand am 27. September 2023 während der gemeinsamen Jahrestagung der Société Française d’Immunologie und der Deutschen Gesellschaft für Immunologie in Straßburg statt.
Der Georges-Köhler-Preis wird an promovierte Wissenschaftler/-innen mit einem eigenständigen Profil vergeben, deren Arbeiten zum besseren Verständnis des Immunsystems herausragend beigetragen haben oder daraus resultierende Anwendungen geschaffen haben. Namensgeber des Preises ist Prof. Georges Jean Franz Köhler, der 1984 im Alter von 38 Jahren für die Entdeckung des Prinzips der Herstellung monoklonaler Antikörper den Nobelpreis erhielt. Von 1985 bis zu seinem Tod im Jahr 1995 war er Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg. Der Preis ist mit 3.000 € dotiert.
Mit freundlicher Unterstützung der Biotest AG und der Dr. Paul und Dr. Ilka von Hoegen Stiftung.
Über die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI)
Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI), gegründet 1967, vereint führende Naturwissenschaftler und Mediziner, um die Wirkmechanismen der körpereigenen Abwehr zu erforschen. Dadurch werden bedeutende Grundlagen für die Diagnose und Behandlung von Krankheiten geschaffen. Durch nationale Schulungen (Akademie für Immunologie) und im Austausch mit internationalen Fachgesellschaften fördert die DGfI in besonderem Maße den wissenschaftlichen und klinischen Nachwuchs. Auch die Akzeptanz für immunologische Forschung in der breiten Bevölkerung zu erhöhen, ist der DGfI ein wichtiges Anliegen. Mit über 2.300 Mitgliedern ist die DGfI weltweit die viertgrößte nationale Fachgesellschaft für Immunologie. Weitere Informationen finden Sie auf www.dgfi.org.
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