Bonner Forschende klären mittels Nanobodies die Porenbildung durch Gasdermin D in Zellmembranen auf: Bei Entzündungsreaktionen spielt die Bildung von Poren durch ein spezielles Protein, dem Gasdermin D, eine Schlüsselrolle. Dieses wird durch die Abspaltung eines inhibitorischen Anteils aktiviert. Mehr als 30 der verbleibenden Proteinfragmente verbinden sich dann zu einer größeren Einheit, und bilden Poren in der Zellmembran, durch die Zellbotenstoffe freigesetzt werden können. Da die Methoden zur Untersuchung dieser Vorgänge in lebenden Zellen bislang unzureichend waren, blieb die Reihenfolge der Oligomerisierung, der Porenbildung und des Membraneinbaus bisher unklar.
Einem internationalen Forschungsteam unter Federführung des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und der Universität Bonn gelang es mithilfe von ihnen identifizierten Antikörper-Fragmenten, so genannten Nanobodies, diese Frage zu beantworten. Sie erhoffen sich dadurch potenzielle therapeutische Anwendungen. Ihre Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Inflammasome, große Multiproteinkomplexe des angeborenen Immunsystems, aktivieren und steuern Entzündungsreaktionen in unserem Körper. Im Zuge der von ihnen ausgelösten Signalkaskade ist ein wichtiger Schritt, dass das Protein Gasdermin D (GSDMD) durch ein Enzym gespalten wird. Der aktive Anteil von GSDMD, die sogenannte N-terminale Domäne (NTD), kann dann Poren in zellulären Membranen ausbilden, die zum einen das Ausschütten pro-entzündlicher Zytokine ermöglichen und zum anderen Pyroptose – ein Zelltod, der die Entzündung weiter befeuert – auslösen. „Doch wie genau und wo sich GSDMD zu Poren zusammenbaut, und ob dieser Schritt inhibiert werden kann, war bisher noch unklar“, sagt Prof. Florian I. Schmidt vom Institut für angeborene Immunität am UKB, der Mitglied des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 sowie des Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist.
Zur Klärung dieser offenen Fragen nutzte das Forschungsteam um Prof. Schmidt spezielle Eiweiß-Hemmstoffe, die sie von speziellen Antikörpern aus Alpakas ableiteten. Diese so genannten Nanobodies sind etwa zehn Mal kleiner als normale Antikörper. Sie können durch Bindung an Proteine deren Funktion stören oder bestimmte Moleküle markieren und damit sichtbar machen. Die Bonner Forschenden identifizierten sechs Nanobodies gegen GSDMD. In ihrer Studie haben sie die genetische Information von zwei Vertretern in menschliche Makrophagen, die zu den weißen Blutkörperchen gehören, eingebracht.
Ohne Oligomerisierung keine Porenbildung in der Zellmembran
„Wir haben herausgefunden, dass die Nanobodies die Poren-Bildung inhibieren und so den Zelltod und die Zytokin-Ausschüttung unterbinden“, sagt Erstautorin Lisa Schiffelers¸ Doktorandin der Universität Bonn in der Arbeitsgruppe von Prof. Schmidt am UKB. Zudem klärten die Bonner Forschenden auf, wie das funktioniert: Die Nanobodies verhindern die Oligomerisierung der GSDMD NTD – das heißt, dass sich mehrere dieser Einheiten nicht zu einer größeren Verbindung zusammenfügen. Andererseits unterbinden sie jedoch nicht, dass die GSDMD NTD sich weiterhin in die Zellmembran einfügt. „Dies ermöglicht uns den Rückschluss, dass GSDMD NTD erst in die Zellmembran inseriert und erst danach oligomerisiert“, sagt Schiffelers. Zudem konnten die Bonner Forschenden damit auch zweifelsfrei die Zielmembran identifizieren. „GSDMD NTD inseriert wie bereits von uns vermutet in der Plasmamembran, also der äußersten Membran der Zelle, aber nicht wie beispielsweise postuliert zunächst in den Mitochondrien“, sagt Prof. Schmidt. Sehr überraschend war es für die Bonner Forschenden, dass die Nanobodies auch den Zelltod von Makrophagen inhibieren, wenn sie als aufgereinigtes Protein von außen dazugegeben werden. „Denn eine erste Runde an gebildeten Poren erlaubt es den Nanobodies, in die Zelle zu gelangen. Dort wird weitere Porenbildung verhindert, während zelleigene Prozesse die bestehenden Poren entfernen“, sagt Schiffelers.
Die Bonner Forschenden, die eine ausstehende Patentanmeldung für GSDMD-Nanobodies eingereicht haben, gehen davon aus, dass diese Ergebnisse einen konzeptuellen Weg aufweisen, wie auf GSDMD wirkende Nanobodies auch bei Krankheiten eingesetzt werden können, die auf Porenbildung und Pyroptose basieren. Dazu gehört unter anderem Sepsis und viele andere autoinflammatorische Erkrankungen. „Da unsere Nanobodies aber nur menschliches GSDMD erkennen und nicht GSDMD von Mäusen, konnten sie noch nicht im Tierversuch getestet werden. Erst dann könne man wirklich klar sagen, ob diese Antikörper therapeutisch wirksam sind“, sagt Prof. Schmidt. „Wir haben unterdessen auch Nanobodies gegen Maus GSDMD entdeckt, die uns erlauben werden, genau diese Tests durchzuführen. Das ist Gegenstand der fortlaufenden Forschung.“
Beteiligte Institutionen und Förderung
Neben dem UKB und der Universität Bonn waren an der Studie das Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research (Australien) und das Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge (USA) beteiligt. Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über das Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn, der Emmy Noether Forschungsgruppe von Prof. Florian Schmidt am UKB und dem Sonderforschungsbereich (SFB)1403 finanziert.
Prof. Florian I. Schmidt ist Cofounder von Odyssey Therapeutics, welches an dieser Studie nicht beteiligt war.
Wissenschaftliche Ansprechpartner
Prof. Florian I. Schmidt
Institut für Angeborene Immunität
Universitätsklinikum Bonn,
ImmunoSensation2 & (TRA) „Life & Health“, Universität Bonn
Tel. Büro: +49-228/287-51124
fschmidt@uni-bonn.de
Originalpublikation
https://doi.org/10.1038/s41467-024-52110-1
Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Bonn – 09/2024