Kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen sind eng miteinander verbunden. Jetzt wollen Forschende der MHH die molekularen Mechanismen nachweisen und den Einfluss altersbedingter Veränderungen bei Herz, Lunge und Immunsystem untersuchen.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Erkrankungen der unteren Atemwege gehören insbesondere bei älteren Menschen zu den häufigsten Todesursachen. Epidemiologische Studien, die sich mit der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten befassen, belegen eine enge Verbindung zwischen kardiovaskulären und pulmonalen Erkrankungen. Dennoch ist wenig über die molekularbiologischen Ursachen bekannt. Ein Forschungsteam um Professor Dr. Christian Bär vom Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) will nun untersuchen, welche Mechanismen bei Zusammenspiel zwischen Erkrankungen von Herz und Lunge wirken und welchen Einfluss altersbedingte Veränderungen haben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Projekt über drei Jahre mit einer halben Million Euro.
Geringere Regeneration bei kurzen Chromosomenenden
Ein akuter Lungenschaden oder ein akutes Atemnotsyndrom erhöhen das Risiko für einen Herzinfarkt. Umgekehrt können ein Herzinfarkt oder chronische Herzschwäche zu akuten Lungenproblemen führen. Bei allen Organerkrankungen ist das Alter der größte Risikofaktor, genauer gesagt die schwächer werdende Immunantwort sowie die geringere Regenerationsfähigkeit. Regenerationsprozesse im Körper ermöglichen es, dass Wunden heilen und verletzte oder fehlende Gewebeteile nachwachsen können. Im Alter lässt diese Fähigkeit stark nach, denn unsere Körperzellen können sich nicht unendlich oft teilen, um geschädigtes Gewebe immer wieder zu erneuern. Der Grund dafür sind die sogenannten Telomere, die Enden der Chromosomen. Auf den Chromosomen sind die Erbinformationen gespeichert. Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere ein Stück. Nach etwa 50 Teilungen sind sie sozusagen verbraucht und die Zelle verliert ihre Fähigkeit zur Teilung ganz. „Telomerlängen sind daher biologische Marker für das Alter“, erklärt Professor Bär.
Chimäre Mausmodelle mit unterschiedlichem Organ- und Immunalter
Das Forschungsteam will zunächst die Rolle der Immun- und Organalterung in Herz und Lunge untersuchen. Dafür werden zwei genetisch unterschiedliche, sogenannte chimäre Mausmodelle hergestellt, bei denen sich das biologische Alter von Organen und Immunsystem innerhalb eines Körpers jeweils unterscheidet. Biologisch junge Tiere mit langen Telomeren erhalten das Knochenmark biologisch alter Tiere mit verkürzten Telomeren, so dass sie nun zwar junge Organe aber ein künstlich altes Immunsystem haben. Im zweiten Modell ist es genau umgekehrt. Anschließend wollen die Forschenden testen, wie sich das Alter des Immunsystems sowie von Herz und Lunge bei einem Herzinfarkt und bei einem Lungenschaden auswirken. Zudem wollen sie nachweisen, wie sich ein akuter Lungenschaden entwickelt, wenn das Herz durch einen Infarkt bereits vorgeschädigt ist und welche Schädigung ein Herzinfarkt auf eine vorgeschädigte Lunge ausübt. „In unserer Studie wollen wir nicht nur experimentell nachweisen, dass sich Herz- und Lungenerkrankungen tatsächlich gegenseitig beeinflussen, sondern auch überprüfen, welchen Einfluss Telomerverkürzungen und Telomerschädigungen im Einzelnen ausüben“, sagt Professor Bär.
Gentherapie könnte Regeneration der Organe verbessern
Die Untersuchungen sollen zudem die Grundlage für neue Therapien schaffen. Dabei steht die Telomerase im Fokus. Das Enzym schützt die Chromosomenenden vor Schädigung und Verkürzung. So behält die Zelle ihre Teilungsfähigkeit und altert nicht. Daher ist die Telomerase auch bekannt als „Unsterblichkeitsenzym“ und Gegenstand der Anti-Aging-Forschung. „Bei Erwachsenen ist dieses Enzym normalerweise abgeschaltet“, erklärt Professor Bär. In vorherigen Arbeiten hatte der Wissenschaftler bereits festgestellt, dass ein Wiederanschalten der Telomerase gegen altersbedingte Erkrankungen hilft und das Herz schützt. Zwar teilen sich Herzmuskelzellen beim Erwachsenen nicht mehr, doch entgiftet das Enzym die Zellen offenbar und verbessert dadurch die Herzfunktion. „Eine Gentherapie mit Telomerase könnte die die Regeneration von Lunge und Herz verbessern und somit die Überlebenschancen im Alter erhöhen“, vermutet der Molekularbiologe.
Das DFG-Projekt „Targeting telomere dysfunction-related immune- and organ senescence in pulmonary and cardiovascular disease“ erfolgt in Kooperation mit Professorin Dr. Christina Brandenberger vom Institut für Funktionelle Anatomie der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Quelle: Pressemitteilung Medizinische Hochschule Hannover 01/2023