Menschen mit Nasenrachenkrebs werden häufig mit Medikamenten behandelt, die ihr Immunsystem gegen den Tumor aktivieren. Bislang befürchtete man, dass eine Impfung gegen Covid-19 den Erfolg der Krebstherapie mindern oder starke Nebenwirkungen hervorrufen kann. Eine aktuelle Studie der Universitäten Bonn und Shanxi in der Volksrepublik China gibt diesbezüglich nun Entwarnung. Demnach schlugen die Krebsmedikamente nach einer Vakzinierung mit dem chinesischen Impfstoff SinoVac sogar besser an als bei Ungeimpften. Die Ergebnisse erscheinen als „Letter to the editor“ in der Fachzeitschrift Annals of Oncology, sind aber bereits online abrufbar.
Viele Krebszellen sind dazu in der Lage, die Immunantwort des Körpers zu unterlaufen. Sie betätigen dazu eine Art Knopf auf den Immunzellen, den PD-1-Rezeptor. Dadurch schalten sie diese körpereigenen Abwehrtruppen gewissermaßen ab. Mit Medikamenten lassen sich die PD-1-Rezeptoren blockieren. Das Immunsystem kann so den Tumor besser bekämpfen.
Bei der Impfung gegen Covid wird ebenfalls die Immunantwort stimuliert, wobei der PD-1-Rezeptor involviert ist. „Man befürchtete, dass die Impfung sich nicht mit einer Anti-PD-1-Therapie vertragen könnte“, erklärt Dr. Jian Li vom Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie (IMMEI) am Universitätsklinikum Bonn. „Diese Gefahr besteht insbesondere bei Nasenrachenkrebs, der genau wie das SARS-Cov-2-Virus die oberen Atemwege befällt.“
Der Bioinformatiker hat nun zusammen mit Kooperationspartnern aus der Volksrepublik China untersucht, ob diese Sorge berechtigt ist. An der Analyse nahmen mehr als 1.500 Patientinnen und Patienten teil, die in 23 Krankenhäusern aus ganz China behandelt wurden. Derartige Multi-Center-Studien gelten als besonders aussagekräftig, da die Teilnehmenden sehr unterschiedlich sind und die Ergebnisse zudem nicht durch regionale Eigenheiten verfälscht werden.
Geimpfte sprachen besser auf Krebstherapie an
Eine Teilgruppe von 373 Betroffenen war mit dem chinesischen Covid-Vakzin SinoVac geimpft worden. „Erstaunlicherweise sprachen sie deutlich besser auf die Anti-PD-1-Therapie an als die Ungeimpften“, erklärt Prof. Dr. Christan Kurts, Direktor des IMMEI und Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich „Life & Health“ sowie im Exzellenzcluster ImmunoSensation. „Es kam bei ihnen zudem nicht öfter zu schweren Nebenwirkungen.“ Warum die Behandlung nach der Vakzinierung erfolgreicher war, können die Forschenden nicht sagen. „Wir nehmen an, dass durch die Impfung bestimmte Immunzellen aktiviert werden, die dann den Tumor attackieren“, sagt Prof. Dr. Qi Mei vom Universitätsklinikum Shanxi. „Wir werden dieser Hypothese nun weiter nachgehen.“
Nasenrachenkrebs ist hierzulande recht selten. In Südchina und anderen Ländern Südostasiens ist die Erkrankung dagegen weit verbreitet. Als Gründe vermutet man unter anderem den häufigen Einsatz von Klimaanlagen in den feuchten und heißen Regionen. Auch Ernährungsfaktoren scheinen eine wichtige Rolle zu spielen. In Taiwan gilt Nasenrachenkrebs inzwischen bei jungen Männern als eine der häufigsten Todesursachen.
Beteiligte Institutionen und Förderung
An der Arbeit waren neben der Universität und dem Universitätsklinikum Bonn die Shanxi Medical University sowie das Tongji Medical College beteiligt. Zudem kooperierten die Forschenden mit einer Reihe von Kliniken in ganz China. Die Studie wurde durch das Chinesisch-Deutsche Zentrum für Forschungsförderung (SGC), das Exzellenzcluster ImmunoSensation² der DFG sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Originalpublikation: Hua YJ, Liu YL, Wen K, Kurts C, Wu H, Mei Q, Li J. Potentially Improved Response of COVID-19 vaccinated Nasopharyngeal Cancer Patients to Combination Therapy with Anti-PD-1 Blockade and Chemotherapy. Ann Oncol. 2022 Oct 7:S0923-7534(22)04188-6. doi: 10.1016/j.annonc.2022.10.002. Epub ahead of print. PMID: 36216192; PMCID: PMC9540702.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 11/2022