Neutrophile Granulozyten spielen bei vielen Erkrankungen, die mit Entzündungen einhergehen, eine Schlüsselrolle. Es wird heute deutlicher, dass neutrophile Granulozyten einen komplexen Beitrag zur Immunreaktion liefern, – nicht nur in der Anfangsphase der Entzündung, sondern auch in der anschließenden Heilungsphase. Sie sind daran beteiligt, reparative Prozesse zu regulieren. Prof. Dr. Ulrich Flögel, Institut für Molekulare Kardiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, und Team haben die gesamte Kaskade von ihrer Bildung im Knochenmark bis zur Infiltration und den dynamischen Funktionen innerhalb von Entzündungsherden mit MRT-Ganzkörper-Bildgebung im lebenden Organismus abgebildet.
Hierfür haben Prof. Dr. Ulrich Flögel und Team Nanotracer mit spezifisch gegen Neutrophile gerichteten Bindungspeptiden entwickelt. In Kombination mit einer speziellen dreidemsionalen MRT-Technik konnten sie damit die Neutrophilen nicht nur im Blutkreislauf, sondern auch am Ort ihrer Bildung im Knochenmark darstellen und ihre Wanderung in das verletzte Herzmuskelgewebe der Maus nicht-invasiv im lebenden Tier verfolgen. Die Analyse der Daten zum Ort der Bildung der Neutrophilen ergab, dass der Oberschenkelknochen das größte Neutrophilen-Reservoir und auch die Hauptquelle für die Freisetzung von Neutrophilen nach einem Herzinfarkt darstellt.
Darüber hinaus zeigten die Forschenden, dass sowohl sterile als auch unsterile, d.h. durch äußere Erreger verursachte, Entzündungen zu einer verstärkten Aufnahme der Nanotracer durch Neutrophile führen. Dies kann als nicht-invasiver Indikator für deren Aktivierungszustand genutzt werden. Durch die zusätzliche Analyse menschlicher Blut- und Gewebeproben lieferten Prof. Dr. Ulrich Flögel und Team außerdem überzeugende Beweise dafür, dass der vorliegende Ansatz auch für die Überwachung der Dynamik menschlicher Neutrophiler geeignet ist.
Übertragen auf den klinischen Bereich wird es dieser Ansatz nicht nur ermöglichen, verborgene Ursachen für bakterielle oder sterile Entzündungen bei Patienten aufzudecken. Darüber hinaus können auch Krankheitszustände entschlüsselt werden, die sich aufgrund einer verstärkten Infiltration oder Aktivierung von Neutrophilen kurz vor einer schweren Verschlimmerung befinden.
Auf diese Weise ist es möglich, Entzündungsmuster im Hinblick auf das Vorhandensein und die Aktivierung von Neutrophilen besser einzuschätzen und einer maßgeschneiderten personalisierten Therapie zuzuordnen. Da ähnliche Nanotracer bereits in klinischen Studien untersucht wurden und klinische MRTs problemlos umgerüstet werden können, birgt diese Technologie ein hohes Potenzial für die Diagnose, die personalisierte Therapie und die Identifizierung neuer therapeutischer Ziele. Der Forschungsansatz ist sogar leicht an andere Bildgebungsverfahren (Computertomographie (CT), Positronen-Emissions-Tomographie (PET) anzupassen und kann auch als therapiebegleitendes Werkzeug eingesetzt werden.
So könnte die zusätzliche Ausstattung dieser Nanotracer mit immunmodulatorischen Wirkstoffen eine Möglichkeit sein, um etwa die altersbedingte nachlassende Immunantwort zu überwinden oder das Gegenteil, überschießende Neutrophilenfunktionen, zu dämpfen.
Originalpublikation: Bouvain P, Ding Z, Kadir S, Kleimann P, Kluge N, Tiren ZB, Steckel B, Flocke V, Zalfen R, Petzsch P, Wachtmeister T, John G, Vijitha N, Krämer W, Strasdeit T, Mehrabipour M, Moll JM, Schubert R, Ahmadian MR, Bönner F, Boeken U, Westenfeld R, Engel D, Kelm M, Schrader J, Köhrer K, Grandoch M, Temme S, Flögel U: Non-invasive mapping of systemic neutrophil dynamics upon cardiovascular injury. Nat Cardiovasc Res 2023, DOI: 10.1038/s44161-022-00210-w.
https://www.nature.com/articles/s44161-022-00210-w
Quelle: Pressemitteilung Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 02/2022